09°26,8´ N / 78°35,0´ W

vor Anker in den San Blas Inseln - Panama

14. Dezember 2008

 

 

Liebe Freunde der flow-Crew,

 

dieser 15. Reisebericht entstand im Land der Kuna-Indianer – Kuna Yala, das zu Panama gehört. Jedoch wird er von einem Land der Gangster und Ganoven, Schiffspiraten und Abzocker sowie von viel Dreck und Müll auf den Straßen und handeln. Dieses Land heißt Venezuela ... so wie wir es sahen.

Ja, leider müssen wir diesen Vergleich so anstellen, da wir in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes keine netten Bekanntschaften mit Einheimischen schlossen und uns die verschmutzten Inseln noch schwer auf dem Magen liegen. Zusätzlich wurden diese Eindrücke von den Geschichten zahlreicher Segler sowie Berichten in karibischen Seglerzeitungen „gewürzt“.

Davon waren wir so eingeschüchtert, dass wir uns nur die Inseln Los Testigos, Isla Margarita und Isla Coche ansahen. Aus Furcht vor bewaffneten Überfällen sind wir nicht zum Festland gesegelt. Zwar haben wir einige schöne landschaftliche Besonderheiten verpasst, aber dafür ist noch all unsere Ausrüstung an Bord und wir haben keinen Schock fürs Leben, den so manch andere Segler nach einem Überfall haben. Wir wollten einfach unser Glück, von dem wir in Brasilien soviel verbraucht haben, nicht  weiter herausfordern...

 

PS: Dass dieser Reisebericht von eher weniger schönen Erlebnissen berichtet, liegt auch daran, dass wir uns leider die Isla Margarita ausgewählt hatten, die nicht gerade eine Vorzeigeinsel ist. Also unsere eigene Schuld! Jedoch sind wir drei Monate später die Inselketten der Los Aves, Los Roques und La Blanquilla abgesegelt. Und da sahen wir ein anderes, wunderschönes und unberührtes Venezuela. Doch bleiben wir mal in der chronologischen Reihenfolge und erzählen Euch erstmal was von dem anderen Venezuela.

 

 

20. Mai – 25. Mai 2008 – Überfahrt und Aufenthalt auf den Los Testigos

Der Abschied von Tobago viel uns nicht schwer, denn wir waren nach solch einem für uns „langen“ Aufenthalt satt mit Eindrücken und dürsteten nach etwas Neuem. Voller Vorfreude und auch ein wenig aufgeregt, setzten wir Segel zu neuen, für uns völlig unbekannten Inseln – den Los Testigos. Diese liegen ca. 70 Kilometer vor der Küste von Venezuela. Die Überfahrt war ein Traum im Mondschein. Die Strömung erfasste uns und trug uns mit bis zu drei Knoten schneller ans Ziel. Mitten in der Nacht mussten wir bei leichten Winden von achtern bis auf die kleine Fock reffen, um nicht im Dunkeln anzukommen. Am Morgen sahen wir dann die Silhouette der Los Testigos.

 

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Anhand eines Cruising Guides wussten wir, dass man sich zuerst beim Zoll zu melden hat. Unter Segeln (Marcus´ Herz schlug gleich wieder höher) ankerten wir vor der Insel Iguana, wo sich eine Außenstelle des Zolls befindet. Na ja, sie war mit fünf jungen Soldaten besetzt, die sich ihre Zeit mit Tischtennisspielen und Biertrinken versüßten. Nach zwei Monaten sind wieder andere Soldaten auf dem Stützpunkt – warum sich ein Bein ausreißen??? Man kann das Exil ja auch genießen. Die einheimischen Fischer der Inselgruppe brachten den Jungs frischen Fisch und aller paar Tage kam ein Versorgungsboot vom Festland mit Leckereien für die Soldaten. Da wurden ganze Hühner ausgeladen, viel Obst und Gemüse ... Also, den ging es wirklich nicht schlecht. Selbst ein Notstromaggregat lief für die Kühlschränke und den Fernsehapparat.

 

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Als wir mit dem Dingi rüberpaddelten, begrüßte uns spanische Musik aus einer der Fischerhütten am Strand. Es war wieder eine andere Welt, in die wir „hineingesegelt“ waren. Nur 36 Stunden vorher sprachen wir noch Englisch auf Tobago und jetzt sah man Menschen mit diesen typisch spanischen Gesichtszügen.

 

Ohne Probleme meldeten wir uns beim Zoll an und nahmen mit einem sehr freundlichen, vielleicht 20jährigen Soldaten unsere persönlichen Daten auf. Sein Englisch war so gut wie unser Spanisch - aber wozu gibt es Wörterbücher? Aus verschiedenen Seglerberichten wussten wir, dass man höchstens zwei Tage auf den Los Testigos bleiben darf. Das kommt daher, dass man hier nicht richtig einklarieren kann und sich demzufolge immer noch illegal im Hoheitsgebiet von Venezuela befindet. Schüchtern fragten wir daher, ob wir drei Tage bleiben könnten. „No problema“ kam zur Antwort.

Wir blieben letzten Endes fünf Tage. Ich glaube, wir hätten auch noch länger bleiben können, hätten wir ein paar von unseren spanischen Zigaretten locker gemacht …

 

Doch mit Annes Abflug von Margarita hatten wir einen festen Termin, so dass es bei den fünf Tagen blieb....

 

Ach übrigens: Marcus ist allein von der Isla Margarita über die Los Testigos nach Grenada gesegelt. Als er nach vier Wochen wieder in Los Testigos ankam, waren immer noch die gleichen Soldaten da. Als sie bei der flow vorbeifuhren, grüßten sie freundlich und wollten wissen, wann er nun weiter nach Margarita segle. Soviel zum Thema „lange bleiben“ auf den Los Testigos ... Aber trotzdem ist das wohl unterschiedlich und es kommt ganz auf die „Mannschaft“ der Coast Guard an.

 

Nachdem die Formalitäten geklärt waren, schlenderten wir am Strand entlang. Überall standen Fischerhütten – mal gut befestigt und solide, dann wieder sehr baufällig, aber dennoch bewohnt. Die Fischer grüßten freundlich. Leider konnten wir kein Gespräch mit unseren paar spanischen Wortbrocken anfangen. Ihre Pirogen waren an Bojen befestigt und schaukelten träge vorm Strand. Erstaunlicherweise haben alle Pirogen einen oder zwei große Außenborder dran. Wie haben die Fischer das denn früher gemacht?? Da ja auch an´s Sparen gedacht werden muss, hängen an den Pirogen die etwas billigeren und auch leichteren Zwei-Takt-Motoren. Dafür braucht man aber zusätzlich 2-Takt-Öl im Sprit. Und genau diese Öldosen lagen überall am Strand verstreut! Auch leere Plasteflaschen zierten das Bild. Dabei muss man wissen, dass sich nur 20 Meter weiter die Häuser der Fischer befinden...

Dies verstanden wir nicht, denn der Müll am Strand lag sozusagen direkt vor deren Haustür. Da reicht doch ein früher Morgen, an dem es noch nicht so heiß ist und der Strand ist wieder sauber. Wie können sich die Menschen da nur wohlfühlen???

 

Mit der flow legten wir uns zum geschützten Ankerplatz vor der Isla Grande. Wie der Name schon sagt, ist sie die größte der Inseln. Marcus musste gleich an Land und zur Düne laufen. Völlig begeistert kam er am späten Nachmittag zurück. Neben Riesenschildkrötenspuren und vielen, vielen leeren Schneckenhäusern hat er an der Düne auch einen guten Kitespot gesehen. Die Tage waren also gerettet...

 

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Die Begeisterung war so groß, dass wir am Abend nochmals auf die Düne mussten. Einen ganz steilen Sandberg gilt es zuerst zu bewältigen. Mit kurzen Pausen ist man dann irgendwann oben (das folgende Bild stammt von einem unserer morgendlichen Ausflüge).

 

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Dann läuft man einen schmalen, von Gestrüpp umgebenen Sandweg entlang, bis sich die ganze weiße Pracht der Sanddüne vor den Augen entfaltet. Man steht auf einem Berg und kann von oben die Herrlichkeit und die Weite in sich aufsaugen - mit Blick auf die Karibische See. So oft wir an diesem Punkt standen, es war immer wieder ein beeindruckendes Gefühl für uns, in diese unendliche Weite einzutauchen ...

 

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Aber wie gesagt, am Abend ging es an den Strand der Düne. Wir warteten auf der Düne auf die Landung einer der großen Schildkröten. Der Mond ging erst zwei Stunden nach Sonnenuntergang auf, so dass wir im Dunkeln am Strand entlang stolperten. Ein wahrlich komisches Gefühl!!! Doch als der Mond langsam aus dem Meer auftauchte, hüllte er die Düne in ein sanftes Grau. So konnte man wieder Konturen erkennen. Leider ohne Erfolg traten wir um Mitternacht den Heimweg zur flow an ...

 

Am nächsten Morgen war die Aufregung schon am Frühstückstisch groß, denn es sollte mit dem Kite-Equipment  zur Düne gehen. Natürlich war auch die Fotoausrüstung dabei. Dort verbrachten wir den ganzen Tag. Während Marcus immer besser mit Naish (so hat er den Naish-Kite genannt - sehr einfallsreich, naja) über´s Wasser schwebte, schwebte Anne im Foto- und Sammlerrausch über den Strand. Muscheln und andere zahlreiche Fundstücke haben nun in der flow ihren Platz gefunden.

 

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Und wenn das Muschelsammeln, Fotografieren und das Kiten zu langweilig werden, dann kann man tolle Spielchen im Sand machen (ein Schelm, wer da Schlimmes denkt).

 

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Nur zehn Meter von dem Strand, wo wir mit dem Dingi landeten, lag auch ein deutsches Schiff. Als wir hungrg wieder auf die flow wollten, wurden wir jedoch gleich mal eingeladen. Er war Lehrer in Deutschland und genoss nun seinen Ruhestand. Mit einer Crew ist er letztes Jahr über den Atlantik gesegelt. Dabei hatte er nicht so gute Geschichten über die Mitsegler zu berichten. Es gab also viel zu erzählen und wir genossen den menschlichen Kontakt und vor allem das eiskalte Bier aus Venezuela. Als Höhepunkt servierte er uns seinen selbst eingelegten Fisch mit frisch gebackenem Brot. Es war einfach nur ein Gedicht ... Danke nochmals!

Er sagte, als wir uns zögernd eine Büchse Bier teilen wollten, dass das Bier in Venezuela preiswerter sei als Wasser. Was wir später auch feststellen mussten. Für nur 20 Cent kann man „Polar“-Bier in einer 0,33 Liter Dose kaufen.

 

Die nächsten Tage flogen so dahin. Sie waren von Dingitouren zu den anderen Inseln und viel Zeit an der Düne geprägt. Marcus stieg an einem Vormittag außerdem noch hoch auf einen Berg.

Neben vielen kleinen Eidechsen waren fast ausschließlich Kakteen zu sehen. Auf dem ausgeschilderten Weg nach oben hatte allerdings nur ein einziger Kaktus eine gelbe Blüte.

 

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Anne fand es zu heiß für den Aufstieg. Schade, denn so hat sie eine echt tolle Aussicht über den ganzen Archipel verpasst .... (Der weiße Sandstrand ist der, den die Riesenschildkröten lieben.)

 

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Am letzten Tag betraten wir die Insel Isla Carba. Diese ist nur 50 Meter von der Insel Isla Iguana (wo der Zoll ist) entfernt. Dort kann man riesengroße Leguane bestaunen, die leider immer viel zu schnell in´s Gestrüpp geflüchtet sind, um sie zu fotografieren. Kurze Zeit später standen wir auf einem kleinen Felshügel mit außergewöhnlichen Felsformationen. Von oben sah man einen Schwarm riesengroßer Fische im Wasser jagen. Leider hatten wir keine Angel dabei. Aber unser Anglerglück hält sich eh in Grenzen. Es wäre nur ein weiteres Mal deprimierend gewesen, nach zwei Stunden wieder keinen Fisch am Haken zu haben. So genossen wir einfach den Ausblick.

 

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Doch es gab auch eine andere Seite der Insel. Am Fuße des Hügels war eine 100 m² große Fläche, die komplett von Plasteflaschen bedeckt war. Es war einfach unglaublich. Wir waren schockiert.

 

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Da sitzen im Zollgebäude fünf junge Männer, die es nicht fertig bringen, da mal Ordnung zu schaffen. Leider konnten wir dies nicht ansprechen mit unseren Spanischkenntnissen. Vielleicht wäre es ihnen auch egal gewesen, da sie ja eh bald wieder weg sein werden. Na, und außerdem wohnt doch niemand auf der Insel!!!

 

Genug vom Müll erzählt, aber irgendwie gehen wir nun anders durch die „paradiesischen Inseln“ der Karibik. Denn wirklich jede hat ihre „Müllseite“. Und das tut weh, denn die Menschen, die darauf leben, können sich nicht dagegen wehren. Das Meer spült einfach alles an und es gibt keine Müllentsorgung weit und breit. Was kann man nur dagegen tun? Vielleicht habt Ihr ja eine Lösung/Antwort??? Wir sind einfach nur ratlos.

 

Wir fuhren mit unserem kleinen Dingi auch zum anderen Ende der Isla Grande. Es war ein traumhafter Ankerplatz vor weißem Sandstrand. Eine schmale Stelle bricht den Schwell aus Nordost, so dass die Schiffe dahinter ganz ruhig vor Anker lagen.

 

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Am Abend probierten wir nochmals unser „Schildkrötenglück“ an der Düne. Ein Lagerfeuer spendete Licht und Wärme von außen und der Portwein (von Dirk) brachte uns die Wärme von innen – das war sehr angenehm.

 

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Abwechselnd schliefen wir am Lagerfeuer und gegen 23 Uhr kam sie dann: eine riesige Schildkröten-Mama mit über 80 Eiern „im Gepäck“, die in einem selbstgebauten Sandloch verschwanden. Wir schauten dem Spektakel zu. Darüber haben wir ja schon ausführlich in einem Extra-Bericht erzählt...

 

Vielleicht war es „unsere“ Schildkröte, die in der Nacht diese unverkennbare Spur im Sand hinterlassen hat?

 

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25. Mai – 16. Juni 2008 – Isla Margarita und Isla Coche

 

Wir erkunden noch gemeinsam Porlamar und sagen Tschüß zueinander - bis in fünf Wochen!

 

Am 25. Mai segelten wir zur 50 Kilometer entfernten Insel Isla Margarita. Den ganzen Tag schien die liebe Sonne auf unsere Köpfe. Man konnte es auf der flow nur im Schatten aushalten. Anne übergoss sich sogar mehrmals mit ´nem Eimer Seewasser. Am Abend kamen wir in Porlamar an und legten uns vor Anker. Da immer noch ein bisl Portwein da war, wurde mit Nudeln die Ankunft gefeiert. Zahlreiche Boote lagen hier bereits. Manche wohl schon ziemlich lange. Es schien, als ob die Schiffe samt Ankerkette an den Meeresboden gewachsen waren.

Es war kein Platz zum Wohlfühlen. Ringsum waren Hochhäuser und unansehnliche Hotels zu sehen und ein unangenehmer seitlicher Schwell stand in der Bucht.

 

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Am nächsten Morgen mussten wir einklarieren. Wir hatten viele Geschichten über dieses Prozedere gehört. Ständig fiel das Wort Agent. Denn nur ein ausgebildeter Agent kann es schaffen, den Papierkram zu erledigen. Als wir am Dingidock anlegten, kam gerade ein Deutscher vom Inline-Skaten zurück. Er hat uns wohl unsere Unsicherheit angesehen und nahm uns unter seine Fittiche ...

Gleich auf dem Steg gab es eine Lektion in den Dingen, auf die man hier aufpassen und vor allem nicht tun sollte. Die Liste war lang und es nahm einem gleich die Lust an dieser Insel ... Man konnte nur sagen: „Oh Gott, wo sind wir denn hier gelandet?“

 

Jedenfalls fuhren wir mit ihm zum Geldtauschen in ein Hotel, das von einem Deutschen geführt wurde. Man kam sich vor wie in St. Pauli oder so, wo im Zwielicht hinter der Theke dubiose Geschäfte laufen. Bei uns waren es aber nur lumpige 100,- Euro, die wir gerne in Bolivares Forte getauscht haben wollten. Denn man sollte nicht zu Banken gehen und erst recht nicht auf der Straße tauschen. Die Banken nehmen zu viele Gebühren und beim Tausch auf der Strasse fehlt Dir immer die Hälfte. Falls man sich mit der Währung auskennt und doch alles getauscht bekommt, dann holen die Gangs sich ihren Anteil schon irgendwie wieder... Die wissen ja, wieviel man getauscht hat... Auf diese Art und Weise haben schon viele Segler viel Geld verloren.

 

Mit bisl Geld in den Taschen nahmen wir uns die Innenstadt vor. Diese besteht nur aus Klamotten- und nochmals Klamottenläden, Schuh- und nochmals Schuhläden sowie Supermärkten. Das ist aber nur in der Innenstadt so. Und wenn man vom Hafen aus da hin möchte, dann sollte man ein Taxi nehmen, denn einige Segler sind schon auf dem Weg in die Stadt überfallen worden. Bei solchen Aussichten hilft auch kein „Venceremos“ mehr. Da kannste nur ein Taxi nehmen!

 


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Am nächsten Tag war großes Packen und Vorbereiten für Annes Abreise angesagt, denn am Abend ging ihr Flieger nach Deutschland. Der Abschied war für uns beide zum Glück schmerzfrei. Wir hatten es uns schlimmer vorgestellt. Allein fuhr ich mit dem Taxi zur flow zurück. An Bord der flow sah ich die Maschine in den Himmel steigen. Wo werden wir uns wiedersehen? Nur der Rückreisetag von Anne stand fest. Wird es wirklich Grenada sein? (Diese Ungewissheit verhieß Spannung für die nächsten Wochen.)

Wir hatten einige Wochen zuvor in Trinidad den Rückflug bis Grenada gebucht. Leider wussten wir da noch nichts von den drei Knoten Strömung, die uns im Eiltempo von Tobago über die Los Testigos nach Margarita gebracht hatten. Ich hatte wenig Lust, alleine mit der flow da gegen an zu bolzen. Deshalb sollte Anne in Deutschland versuchen, ihren Flug zur Isla Magarita umzubuchen. Was letzen Endes daraus geworden ist ... später mehr dazu.

 

Ja, da war ich das erste Mal seit einem Jahr alleine auf der flow. Um mir die Zeit nicht allzu lang werden zu lassen, hatte ich mir viel Arbeit vorgenommen. Doch die quälende Sehnsucht, die einen so lethargisch machen kann, vermasselte auch viele Tätigkeiten an Bord. Es war zum Heulen, nichts klappte richtig. Von den Arbeiten, die ich in der Zeit in Angriff nahm, waren 90 % zum Scheitern verurteilt.

 

Da waren die Ausflüge mit dem Mifa wesentlich erholsamer. Die Stadt und die gelegenen Strände waren vor dem roten Ungetüm nicht mehr sicher. In der Stadt war´s mir aber ein bisl komisch. Als einziger in der Mittagshitze mit´m Rad unterwegs zu sein, ist schon auffällig. So machten mich die fragenden Blicke der Leute etwas unsicher. Schnell ging es zum Strand, der direkt auf der gegenüberliegenden Seite der Ankerbucht, wo die flow schaukelte, lag. Am Wochenende tummeln sich da zahlreiche Einheimische und die wenigen Touristen. Es war lustig anzusehen, wie die großen Wagen am Strand standen und alles für ein gelungenes Grillfest mit dabei war. Das Wichtigste war laute Musik und diese wummerte aus jedem Fahrzeug, an dem ich vorbeifuhr.

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Auch körperlich konnte man sich im Open Air Fitnessstudio direkt am Strand für die Mädels, die da so rumlungern, ertüchtigen. Und plötzlich lagen zahlreiche kleine Kugelfische mit ihren großen Augen und den Kussmündern am Strand rum.

 

 

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Das ganze Bild wurde noch durch ein mitten in der Pampa geparktes Hilton Hotel verschärft.

 

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Das ist wirklich keine Stadt zum Wohlfühlen und so entschied ich mich leider erst nach einer Woche Aufenthalt, weiterzusegeln.

 

 

Weg von dieser trostlosen Stadt Porlamar und auf ins Kiteparadis- Isla Coche

 

Das Segeln war ein Traum und das erste Mal allein. Mit der Hand zog ich die Ankerkette Stück für Stück hoch und unter Segeln ging es aus der Bucht heraus. Dann Frau Mangold eingekuppelt und ab ging es bis zur Ankerbucht der Isla Coche. Etwas übermotiviert nahm ich kurz vor der Ankerbucht eine Untiefentonne etwas zu dicht – also ich konnte sie fast anfassen - aber man hat ja keinen Weg zu verschenken. Diese alte Regattaweisheit hab ich vom vielen Havelsegeln mitgenommen. Doch hier war sie fehl am Platz, denn plötzlich war´s nur noch ein Meter unterm Kiel der flow. Gerade noch waren es 20 Meter!!!. Ging aber alles gut und nach vier Stunden Segeln fiel der Anker. Es war schon ein komisches Gefühl, so ganz ohne Anne die flow aufzuklaren. Alles klappte an dem Tag wirklich wunderbar und ich hätte Stolz auf mich sein und zugleich eine tiefe Freude empfinden können. Das alles kam aber nicht so recht auf ...

 

Am nächsten Tag inspizierte ich einen Teil der Insel. Ein weißer Sandstrand erstreckt sich auf einer Länge von über ca. fünf Kilometern und bildet eine Bucht, die vor dem Nordostwind perfekt geschützt ist. Genau davor lag die flow. Paradiesisch, oder?!

Aus einem Venezuela-Führer konnte ich entnehmen, dass es vor fünf Jahren an diesem Strand NICHTS gab. Nun stehen hier zwei Hotels und es werden sicherlich noch mehr gebaut. Doch früh am Morgen war der Strand menschenleer. Erst gegen zehn Uhr kam Leben in die Bude, als plötzlich die ersten Kiter von der Isla Margarita angefahren kamen.

 

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Angefahren, was schreibe ich da! Die hoch motivierten Kiter wurden von der Isla Margarita mit einem megasupertollen hauseigenen Plasteschnellboot, das von zwei Außenbordern mit je 250 PS angetrieben wurde, rübergeflogen.

 

Ich beobachtete neugierig das Schauspiel der Giganten. Denn die erste und wichtigste Kiterweisheit ist, dass man nicht bei ablandigem Wind kiten sollte. Und die wollten es alle tun? Oh Schreck! Die wahren Meister blieben immer in Strandnähe. Aber die Anfänger waren wenige Zeit später draußen auf dem Meer verschwunden, ohne irgendeine Chance, aus eigener Kraft bzw. Geschicklichkeit wieder an Land zu kommen. Da musste der gut aussehende Kitelehrer die Schüler und Schülerinnen von weit draußen abholen. Für meinen Geschmack wartete er ein bisschen zu lang. Die Menschen waren ja kaum noch zu sehen. Nur die Kites, die auf dem Wasser trieben oder hektisch im Himmel hin- und herkreisten, waren vom Strand aus gerade noch zu erkennen.

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Da ich auch ein Anfänger bin, entschied ich mich für die andere Seite der Insel. Da waren zwar viele Wellen und der Untergrund war voll Schlick und Seegras, aber ich wurde bei meinen Kiteversuchen immer wieder an Land getrieben. Ist besser als 30 Euro für eine Rettungsaktion vom Kitelehrer zu berappen. Andere kamen nicht auf diese Idee, so dass ich den ganzen Strand für mich hatte...

 

Nach getaner Arbeit erholten sich die Kiter an der hauseigenen Strandbar in tollen Sesseln. Da ich mir zu amateurhaft vorkam und mir ehrlich gesagt ein Drink auch zu teuer war, konnte ich leider nicht mein Wissen über Kites und Frauen an den Mann bringen. Es ist eben ein Unterschied, ob man für den Urlaub aus England anreist, um für 14 Tage zu kiten oder sein Leben auf einem Schiff verbringt.

 

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Es war viel schöner, den Profis am Abend zu zuschauen. Da stand selbst der Kitelehrer mit einer Mieze im Arm und war am Applaudieren! Es ist schon faszinierend, was man alles so mit einem Brett und ´nem Drachen in der Luft anstellen kann!

 

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Ich blieb eine Woche auf der Insel. Fast jeden Tag stand ich auf dem Brett, da der Wind mit fünf bis sechs Windstärken kontinuierlich aus einer Richtung blies. Dennoch nahm ich mir die Zeit, die Insel etwas näher zu erkunden. So musste auch hier das Mifa die Seeluft und zusätzlich etwas Sand im Getriebe schmecken, denn ich fuhr größtenteils über unbefestigte Sandwege. Was ich nach meiner Inselrundfahrt mit Gewissheit sagen kann ist, dass der größte Teil der Insel aus eher „Nichts“ besteht. Kilometerweite flache Sandwüsten erstrecken sich über das Land. Das einzig Beeindruckende war ein riesiger Salzsee mit seinen Lichtspiegelungen und die nahe gelegene Stadt, wo man kalte Coca Cola kaufen konnte ... (ich bin süchtig danach und der Anne geht´s nicht anders).

 

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Immer weiter ging die Reise bis zum anderen Ende der Insel. Von da aus konnte man sogar das Festland von Venezuela sehen. Ein Spaziergang am Strand lohnte sich, denn da lagen unendlich viele Muscheln, die ich vorher noch nirgendwo sah. Da wäre die Anne äh,... es ist kaum auszudenken.

 

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Da uns ja nun langsam Müllaugen wachsen, möchte ich Euch nicht vorenthalten, wie auf dieser kleinen Insel, nur 20 Kilometer vom Festland entfernt, das Problem gelöst wird. Nämlich gar nicht. Und das noch mitten in der Pampa ...

 

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Wie auch immer, wenigstens gab es in einem der Hotels am Strand ein schnelles Internet. So war ich problemlos mit Anne und der Außenwelt in Kontakt. Es ist verrückt, wo es doch überall eine Verbindung gibt. Ich denke da gerne an das Internetportal im Regenwald von French Guiana zurück.

Über das Internet erfuhr ich von Anne, dass es mit dem Umbuchen des Fluges von Grenada nach Isla Margarita nicht geklappt hat. Was eigentlich nicht erklärlich ist, denn diese Maschine macht in Grenada nur einen Zwischenstopp und fliegt dann weiter zur Isla Margarita. Wir kamen auf solche verrückten Ideen, dass Anne einfach in der Maschine sitzen bleiben soll. Oder dass sie mit klimpernden Wimpern mit dem Flugkapitän spricht. Da das aber eher vage Aussichten waren, auf diese Art und Weise bis nach Margarita zu gelangen, entschied ich mich doch, nach Grenada zu segeln. Ach, ich fühlte mich wirklich wohl mit der Entscheidung: Herausforderung, meiner! (Ist von „Elsterglanz“, musst Du mal klicken auf http://elsterglanz-dieband.com/)

 

Diese Entscheidung beflügelte mich förmlich. Schnell ging es zurück nach Porlamar, wo ich Einkäufe erledigen und ausklieren musste. Diesmal wieder mit einem Agenten, der mich im Stich ließ, so dass ich übers Wochenende noch da bleiben musste. Und genau da finden sich nette Bekanntschaften. Es ist echt zum Heulen, zwei Wochen häng ich da ab und nur die letzten beiden Tage treffe ich einen solch netten Südafrikaner, wo man gleich weiß, das passt ...

 

 

 

Mit einem letzten Blick auf den Hafen von Porlamar verabschiedete ich mich von diesem Land.

 

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16. Juni – 25. Juni 2008 – Zurück nach Grenada über die Los Testigos

 

Unerwarteter Zwischenstopp auf den Los Testigos

 

Am 15. Juni 2008 setzte ich die Segel in Richtung Grenada. Ich wollte die 200 Meilen (direkte Distanz) mit einem Schlag zurücklegen. Doch musste ich einen Zwischenstopp auf den Los Testigos einlegen.

 

Bis zu den Los Testigos sind es von Isla Margarita Luftlinie nur 45 Meilen. Aus den 45 Meilen wurden aber 110 Meilen. Daran sind der Wind (immer auf die Nase), die Strömung und meine Schläfrigkeit Schuld. In der Nacht drehte der Wind von Nordost auf Nord. Da ich schlief, segelte die flow unter Frau Mangold für mehrere Stunden nach Nordwesten– also fast zurück!!!

Dennoch erreichte ich nach zwei Tagen die Los Testigos in der Nacht. Bei der letzen Wende riß der Trimmfaden am Achterliek der Genua auf einer Länge von ca. zehn Meter auf. Da hatte ich sozusagen Glück im Unglück, denn es war die letzte Wende, die ich benötigte, um den Ankerplatz zu erreichen. Ich hatte dann zwei Tage zu tun, mit der Hand alles nach zunähen.

 

Ich genoss den Aufenthalt auf einer mir doch vertrauten Insel. Mir war es in diesen Tagen vergönnt, kleine Schildkröten auf dem Weg ins Wasser zu begleiten.

 

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Über dieses Naturschauspiel hatten wir ja schon im letzten Reisebericht mehr geschrieben.

 

Über Kurzwelle konnte ich Wetterfaxe auf dem Laptop empfangen. Nur so konnte ich eine Tropical Wave sicher vor Anker abwettern. Der Regen und der Wind peitschten über die flow. Es gab ein sicheres Gefühl, hier geschützt vor Anker zu liegen und jetzt nicht auf See zu sein und eventuell gerade die Sturmfock bei peitschendem Regen setzen zu müssen ...

 

 

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Nur noch 200 Meilen bis Grenada

 

Nach vier schönen Tagen verließ ich die Insel Los Testigos. Lange konnte ich den hohen Berg noch erkennen. Die flow kämpfte sich Stück für Stück in Richtung Grenada. Die ersten beiden Tage verliefen ohne Zwischenfälle, doch in der zweiten Nacht musste ich ein Gewitter miterleben. Es war kurz vor Mitternacht als ich gerade von einem kurzen Schlaf aufstand. Draußen leuchteten die Wolken am Himmel. Da ich nicht an Gewitter denken wollte, redete ich mir ein, dass es nur Wetterleuchten sei, obwohl ich nicht genau wusste, was es wirklich ist. Als dann der Regen mit seinen Böen einsetze und rechts und links von mir die Blitze zuckten, ließ ich das Steuer nicht mehr los. Der Wind nahm aller paar Minuten auf bis zu 40 Knoten zu und nahm dann wieder bis auf 10 Knoten ab. Dieses Spiel dauerte bis in die frühen Morgenstunden an. Da ich an mein Ziel wollte, stand ich hinterm Steuer und versuchte, mich nicht von der 2 Knoten starken Gegenströmung zurück versetzen zu lassen. Am Morgen war das Gewitter vorüber und ich konnte hinter mir die leuchtenden Wolken erkennen. Nach einem nochmaligen Segelwechsel legte ich mich völlig geschafft in die Koje.

 

Am Nachmittag erreichte ich bei Sonnenschein die Ankerbucht in Grenada. Direkt nach der Ankunft entstanden diese beiden Fotos. Wie man sehen kann, sind Skipper und Boot in einem hervorragenden Zustand ...

 

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Ich hatte noch fast eine Woche Zeit bis zu Annes Ankunft. Ich half einem Segelfreund bei Arbeiten an seinem Schiff. Und dann war es soweit, die Anne kam zurück und alles war wieder gut.

 

Ich voll mit Ideen und Plänen für unsere weitere gemeinsame Reise und sie hatte viel von der Heimat zu erzählen. Wir genossen die Tage in Grenada und erst nach einer Woche ging es weiter. Wir segelten nach Norden bis nach Martinique, wo wir unsere Post abholten, die seit Weihnachten 2007 dort lag. Was uns auf dieser Reise alles für schöne Sachen passiert sind, erfahrt Ihr im nächsten Reisebericht ...

 

 

 

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